Es gibt Leben außerhalb der Inbox

Groupware Magazin, 01/2006, „Messaging Trends“

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Es gibt Leben außerhalb der Inbox
von Alexander Kluge

arthur at kluge punkt de. So lautete neulich die schlagfertige Antwort meines siebenjährigen Sohnes auf die Frage nach seiner Adresse. Womit wir bei der Zukunft von e-Mail wären – und die Frage aufkommt, ob es diese Adresse in 30 Jahren noch geben wird.

Um es kurz zu machen: ich habe berechtigte Hoffnung, dass mein Posteingangskorb in Zukunft nur noch der Aufbewahrung meiner SPAM Mails dient. Diese Zukunft ist noch fern, aber sie sieht dementsprechend rosig aus. Die Elemente meiner persönlichen Kommunikation, Kooperation und Koordination liegen dann – quasi komponentisiert – in vielfach synchronisierten Containern in der digitalen Welt herum. Oder sollte ich vielleicht eher sagen „syndiziert“? Synchronisieren, Replizieren, Syndizieren, Orchestrieren? Egal, denn ich bin Betriebswirt und darf mir also fachbegriffliche Unschärfen erlauben.

Wie sieht die Welt ohne e-Mail also aus? Mein digitaler Desktop wird eine Art RSS Reader der nächsten Generation sein. Für die Unkundigen: RSS bedeutet Rich Site Summary. Oder Really Simple Syndication. So genau weiß das niemand. Ist aber auch egal. Es handelt sich dabei um eine Technologie, beliebige Inhalte im Web zu abbonieren – und damit quasi immer auf den Push genau informiert zu sein.

Und so gelangen dann Kalender-Einträge, Notizen, Kontakte, persönliche Nachrichten und Dokumente auf gesicherten Pfaden zu mir und werden auf meinem digitalen Schreibtisch übersichtlich aufbereitet. Sie liegen dort gleichberechtigt neben Voice-Nachrichten, denn die Grenzen zwischen Telekommunikation und elektronischen Dokumenten werden verschwimmen. Will ich die Kalender-Daten meines besten Freundes sowie die Belegung des Besprechungsraums im Zugriff haben, werden diese via Newsfeed abbonniert. Es interessiert mich nicht die Bohne, welchen Mail-, Groupware- oder Kalender-Client oder Server meine Partner haben. Die Formate sind standardisiert. Ganz ähnlich wie bei FolderShare oder im berühmten Groove wird mein digitaler Arbeitsplatz auf verschiedensten Endgeräten via Peer-To-Peer Abgleich überall verfügbar sein.

Meine Projekte spiegeln sich dann nicht mehr in endlosen Mail-Threads wieder, bei denen die Betreffzeile im Laufe der Zeit länger wird als der Inhalt selbst. Statt dessen werde ich meinen Blick morgens über meine aktuellen Aktivitäten streifen lassen. Hier ranken sich synchrone und asynchrone Kommunikationsergebnisse in übersichtlicher Darstellung um gemeinsame Objekte wie Präsentationen oder Projektdokumentationen. Notizen, Kalendereinträge, mitgeschnittene Instant Messaging Sessions und natürlich auch Voice-Nachrichten sind sinnvoll rund um Aktivitäten angeordnet und geben eine klare Übersicht. Die Kontaktdaten der handelnden Personen sind in jedem Kontext verfügbar. Neue Teammitglieder nehmen an der Aktivität teil, erstellen hier ihre Anmerkungen und arbeiten mit den Kollegen zusammen. Keine endlosen Verteiler. Keine überfüllte Inbox. Kein anderes Bier.

Der Weg dahin? Dornig, aber es hat sich schon viel getan. Telefonie und Messaging wachsen an vielen Stellen schon genau so zusammen wie synchrone und asynchrone Kommunikationswege. Die Zukunft hat schon begonnen. Social Software erobert die Welt. Mails werden per RSS abgerufen, sie werden „getaggt“, statt sie in mehrfach verschachtelten Foldern zu sortieren. Bookmarks werden syndiziert, Adressdaten aus diversen Quellen werden synchronisert und abboniert. Wer noch Fragen hat, googelt mal schnell nach „Web 2.0“. Oder schickt mir eine eine e-Mail.

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