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Wildente – seziert

Gestern abend war wieder einer der Abende, an denen ich mich frage, warum ich es nicht öfter ins Theater schaffe. Man sagt dem Herrn Thalheimer zwar nach, dass er die Stücke in seinen Inszenierungen immer auf die selbe Art und Weise in ein 90 Minuten Raster preßt, die Akteure immer auf die gleiche bedeutungsschwere Art mit ihrer schweren Vergangenheit um den Hals herummarschieren läßt. Mag sein, aber ich fand es großartig und bewegend.

Ibsens „Wildente“ hat ein grandioses Bühnenbild erhalten, sie ist kühl durchinszeniert, die Schauspieler steuern haltlos auf das tragische Ende zu. Ein schönes Lehrstück über Lebenslügen und den Gutmenschen, der stets das Gute will und das Böse schafft. Und ein bewegendes Kinderschicksal, das zwischem den Irrsinn der Erwachsenen konsequent zermahlen wird.

Nach zuletzt einem enttäuschenden Julius Cäsar hat sich nun wieder mal für mich gezeigt, was für großartige Theater wir in Berlin haben. Hingehen und anschauen!

Buntbrecht

Die Farben, das Licht, das manieristische, überzeichnete Spiel der Darsteller- Robert Wilson hat mir immer unvergessliche Bilder in meine Erinnerung gezaubert. Mit den Bildern von Death Destruction & Detroit und der Musik von Hans Peter Kuhn an der Berliner Schaubühne hatte er mich vor 20 Jahren zum ersten Mal gefesselt.

Nun also treffe ich gestern abend auf Wilsons Dreigroschenoper in Peymanns Berliner Ensemble – eine Woche vor der Premiere und an dem Ort, an dem das Stück 1928 auch uraufgeführt wurde. Eigentlich eine vielversprechende Kombination. Robert Wilson begrüßt mit eineinhalb Stunden Verspätung das Publikum. „Fasten your seatbelts. It will be a bumpy ride“. Vieles ist noch nicht fertig und heute der erste Gesamtdurchlauf. Aber, so ruft er schmunzelnd ins Publikum, es darf gelacht werden.

Und genau da liegt das Problem. Die quirlige Dreigroschenoper paßt, so fürchte ich, nicht zur Bühnensprache von Robert Wilson. Ja, Brechts episches Theater arbeitet mit der Verfremdung. Aber die Distanz, die Wilson mit eindrucksvollem Licht, dem einfachen Bühnenbild und den stilisierten Figruen schafft, läßt im Nachhinein nur die teilweise stummfilmartigen Bilder ins Gedächtnis durch. Gelacht wurde leider nicht.

Immerhin bleibt noch eine Woche Zeit bis zur Premiere. Da kann noch viel passieren.

Update: Es ist wohl viel passiert. Der Eindruck des Premiernkritikers liest sich schon ganz anders. Vielleicht habe ich zu schnell geschossen und sollte es nochmals wagen.

Großes Theater

Das Licht im Saal verlischt, auf der Bühne setzt der Regen ein, die Schauspieler treten auf – und als unerträglich laut die Musik der Böhsen Onkelz ertönt, verbunden mit einer Videoprojektion, die verwackelte graue Bilder eines grauen Lebens im Brandenburgischen auf die trostlose Betonwand wirft, da fürchtete ich das Schlimmste. Vielleicht wieder ein verhunzter Klassiker, der dem modernen Theater geopfert wird? Denn verfolgt man beispielsweise die Inszenierungen derzeit hoch gehandelter Regisseure an der „neuen“ Schaubühne, dann ist die zur Zeit wieder angesagte Eröffnungs-Mischung „unerträglich laute Musik + Videoprojektion“ ein Garant dafür, dass im Laufe des Abends das sprachliche Niveau in ungeahnte Tiefen sinkt, Schauspieler sich zeitnah vollständig entblößen und im besten Fall auf der Bühne lediglich urinieren – die 70er lassen grüßen. Nur kann man heute damit keinen mehr schocken, mich nervt es nur noch.

Aber der Abend im Maxim Gorki Theater sollte anders werden, und deshalb ist es hier auch eine Erwähnung wert: Ich war lange nicht mehr so gefesselt von einem Bühnenstück wie diesem. Im Regen, der nur für einen kurzen Augenblick der Gnade aufhört, quält sich der Prinz von Homburg durch Liebe, Hochmut, Ungehorsam, Todesfurcht und Hoffnungslosigkeit. Und am Ende, als sein schon ausgehobene Grab doch leer bleiben soll, fragt man sich, ob der Tod nicht doch besser als die Gnade des Kurfürsten gewesen wäre. Der Prinz steht im Regen, den Rücken zum Publikum gewandt, und während sich das ganze Ensemble in Leichtigkeit verabschiedet, bleibt der Prinz wo er stand. Ausgestoßen. Die Böhsen Onkelz singen wieder „Ich zeige dir, was es heißt allein zu sein“, und jetzt nimmt es den Zuschauer mit und es läßt ihn nicht mehr los. Man möchte den Prinz nicht alleine stehen lassen.

Ich habe es selten erlebt, dass das Publikum einfach im Theater blieb. Im Saal. Auch nachdem der Schlußapplaus verklungen war. Die Inszenierung hat das Stück über das offensichtliche Ende hinaus verlängert. Man mußte sich einfach losreißen. Und möchte eigentlich nicht gehen.

Salatköpfe

Gestern in der Schaubühne Die Kopien“ von Caryl Churchil.

Ich teile mit jedem Menschen hier 99% der Gene. Wir haben zu über 98 % dieselben Gene wie ein Schimpanse und zu 30 % dieselben Gene wie ein Salatkopf. Das gibt mir doch das Gefühl, irgendwie dazu zu gehören.

Hat da irgendwer Probleme mit dem Klonen?